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Reiseberichte über weitere Reisen findet ihr auf meiner Homepage   

 

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Entgegen aller guten Vorsätze plane ich nun doch noch eine große Winterreise. Zusammen mit meinem Sohn Thorsten und meinem langjährigem Freund Rainer soll es noch einmal vom 13.01.21 bis 30.01.21 nach Finnland gehen. Damit erfüllen Rainer und ich meinem Sohn einen schon lange gehegten Wunsch. 

 

Vor 22 Jahren habe ich schon einmal u.a. mit Rainer eine Wintertour durch Finnland gemacht. Einen Bericht von der damaligen Reise habe ich nachstehend angefügt.

 

Die neue Reise ist natürlich auf einer anderen Route geplant. 
 

Voraussetzung für die Durchführung wird sein, dass wir gesund bleiben. Rainer und ich werden 2021 das 77. und 78. Lebensjahr bereits vollendet haben. 
 

Die Reise war bereits komplett geplant, sämtliche Unterkünfte fest gebucht und auch die Plätze auf der Fähre nach Helsinki reserviert. 
 

Doch dann kam alles anders. Im März 2020 brach die Corona-Pandemie aus. Die Folgen sind bekannt. Wir mussten die Reise komplett stornieren. Das hat mir sehr weh getan. Denn aufgrund des Alters ist eine spätere Durchführung nicht mehr sinnvoll und ggf. auch nicht mehr möglich.
 

Alles hat seine Zeit, mit 78 und 79 Jahren sind mein Kumpel Rainer und ich dann langsam zu alt für extreme Wintertouren. ??

 

 

Zum Glück bleibt uns die Erinnerung an unsere Tour im Winter 1997. ❄️☃️

 

Den Reisebericht habe ich nachstehend eingestellt!

 

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Auf nach Lappland

 

 

Endlich war es soweit. Am 22.01.1997 starteten wir von Speyer aus erneut zu einer Wintertour. Dieses Mal war Finnland unser Ziel.

 

Über Frankenthal ging es in Richtung Frankfurt/ Butzbach auf die Sauerlandlinie (A 45), wo zunächst ein Treffpunkt mit Heinzjürgen (HJ) am Rasthof Sauerland bei Lüdenscheid vereinbart war.

 

Gegen 14:00 Uhr, Holger (HO) und ich warteten seit ca. 10 Minuten, traf HJ mit seinem Guzzi-Gespann am Treffpunkt ein und wir setzten gemeinsam unsere Fahrt in Richtung Oberhausen (Rhl) fort, um uns mit unserem Freund Hans-Rainer (HR) zu treffen.

 

Plötzlich, nach ca. 50 km wurde das Gespann von HJ langsamer. Im Rückspiegel erkannte ich, dass er auf dem Seitenstreifen anhalten wollte. Mit einem unguten Gefühl setzte ich den Blinker und hielt an. HJ blieb mit unsauber laufendem Motor hinter mit stehen. Es stellte sich heraus, dass an eine Weiterfahrt nicht zu denken war.

 

Kurz entschlossen schleppte ich HJ zur nächsten Autobahnausfahrt, von dort nach Schwerte. Unterwegs kam mir der rettende Einfall. Ein Abschleppunternehmen musste her, um das defekte Gespann zum Wohnort von HJ zu bringen. Dort hatten wir die Gelegenheit zur Reparatur. Mit Hilfe des ADAC und des Schutzbriefes war diese Idee problemlos zu verwirklichen.

 

In Neuenrade angekommen, wurde sofort mit der Reparatur begonnen. HR hatte sich zwischenzeitlich in sein Auto gesetzt und war die 150 km von Oberhausen nach Neuenrade gefahren, um uns bei der Reparatur

-die natürlich, wie die ganze Reise- von unserem Kameramann HO im Bild festgehalten wurde, zu unterstützen.

 

Es stellte sich heraus, dass im rechten Zylinderkopf der 1000 SP die Auslassventilfeder viermal gebrochen war, was zum Leistungsverlust des Motors geführt hatte. Offensichtlich lag in diesem Fall ein Material- oder Härtefehler vor. Die Reparatur war relativ problemlos möglich, so dass wir uns, nach der Reparatur eines vermeintlichen Plattens an meinem Seitenwagenrad endlich gegen 21:00 Uhr auf den Weg nach Oberhausen machen konnten.

 

Wieder auf der Autobahn, ließen wir es zügig angehen, schließlich hatten wir doch eine Menge Zeit verloren. Am nächsten Tag mussten wir gegen 15:00 Uhr in Lübeck sein, um pünktlich auf der Fähre einchecken zu können. Zunächst lief alles gut. Doch nach ca. 60 km war plötzlich hinter HJ nur noch eine Wolke aus verbranntem Motoröl zu sehen. Ein erneuter Schock! Wieder war der Motor der 1000 SP defekt.

 

Dieses Mal waren die Zylinderfuß- und -kopfdichtung durchgebrannt. HJ hatte vor unserer Reise den Motor getunt. Das war ihm offensichtlich nicht gut bekommen.Da wir aber trotz allem nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen sind, wurde HJ nach kurzem Überlegen von HR 70 km weit nach Oberhausen geschleppt. Das bei Nacht und starkem Regen. Dort trafen wir gegen 22:30 Uhr ein.

 

Sofort wurde das defekte Gespann in die Garage von HR gestellt, um es ein weiteres Mal zu reparieren. Gegen 03:00 Uhr war auch das geschafft. Obwohl wir mitten in der Nacht keinen ausgiebigen Motortestlauf durchführen konnten, machte der Motor nach einem kurzen Probelauf einen guten Eindruck.  

 

 

2. Reparatur innerhalb von 6 Stunden

 

 

 

Nach nur 3 Stunden Schlaf starteten wir am 23.01.97 um 07:00 Uhr in Oberhausen. Unsere Gespanne wurden noch mal aufgetankt, danach ging es auf die Autobahn (A 43) Richtung Lübeck. Noch ca. 450 km lagen vor uns. Wieder liefen alle Motorräder einwandfrei.

 

Leider -ich traue es mich kaum zu sagen- nur die nächsten 70 km. Erneut war es der Motor der 1000 SP, der seinen Geist aufgab. Zum zweiten Mal war die Kopfdichtung des linken Zylinders durchgebrannt. Wenige Meter waren es nur noch zur Raststätte “Hohe Mark’, wo wir unsere Gespanne abstellten. An eine erneute Reparatur war aus Zeitgründen nicht mehr zu denken.

 

Wir standen plötzlich vor einem Riesenproblem.

 

Es blieben nur zwei Alternativen:

 

1) Die Reise fortsetzen ohne HJ.

2) Die Reise fortsetzen mit nur 2 Gespannen und HJ

 

Ohne lange zu überlegen, entschieden wir uns für die zweite Alternative. Eine Fortsetzung der Reise ohne HJ war für uns alle undenkbar.Zum Teil fahren wir seit 30 

Jahren gemeinsam Motorrad. Die meisten unserer großen Reisen durch Europa haben wir zusammen durchgeführt. HJ gehörte einfach dazu!!

 

Frau und Sohn von HR wurden telefonisch über unser erneutes Problem informiert. Sie setzten sich sofort in ihr Auto, um uns bei unserem weiteren Vorhaben zu helfen. Wir räumten unsere Gespanne leer, packten nur noch die nötigsten Sachen zusammen, um Platz für HJ in HR’s Gespann zu schaffen. 

 

 

Verteilung des Gepäcks von 3 auf 2 Gespanne

 

 

 

Das war gar nicht so einfach. Da HR mangels Windschutzscheibe seine Kabine auf dem Seitenwagen montieren musste, blieb aufgrund der Größe von HJ keine Möglichkeit mehr, auch den Sitz einzubauen. So musste sich HJ dann auf den Boden des Seitenwagens setzen, nur ein Stück Karton unter seinem Allerwertesten. Als Rückenlehne mussten Reisetaschen herhalten.

 

Im Nachhinein kann man sagen, dass HJ eine einmalige Leistung vollbracht hat. Bei den niedrigen Temperaturen auf diese Weise eine Strecke von mehr als 2.000 km zurückzulegen ist alle Anerkennung wert. Schließlich gehören wir nicht mehr zu den jungen Wilden.

 

 

 

HJ im Seitenwagen ohne Sitz und Rückenlehne

 

 

 

Für den Rücktransport des übrigen Gepäcks und des defekten Gespannes sorgte Rainers Frau. Aus Zeitgründen konnten wir das Eintreffen des Abschleppfahrzeuges nicht mehr abwarten. Wir setzten unsere Fahrt gegen 10:30 Uhr fort und schafften es tatsachlich ohne weitere Pannen, pünktlich gegen 15:00 Uhr in Lübeck einzutreffen.

 

Erleichtert checkten wir auf der TRANSEUROPA, einer Frachtfähre der POSEIDON-Reederei ein und genossen nach all den Schwierigkeiten die 36 Stunden der Überfahrt nach Helsinki.

 

Ausgeruht und voller Unternehmungsgeist trafen wir dort am 25.01.97 gegen 08:00 Uhr ein. Finnland empfing uns mit Temperaturen von minus 17 Grad. Es war so, wie wir es uns erhofft hatten, kalt und sonnig. Unser Etappenziel an diesem Tag war Siilinjärvi, Wohnort von Wolfgang Dhuy -dem gebürtigen Speyerer- und seiner Familie. Wolfgang lebt seit rund dreißig Jahren in Finnland und ist mit einer Finnin verheiratet.

 

Die Entfernung von Helsinki nach Siilinjärvi beträgt rund 410 km. Auf unserer Reise sollte das die längste Etappe in Finnland bleiben, denn wir mussten sehr schnell feststellen, dass die schneidende Kälte auch gut eingepackten und nordlanderfahrenen Gespannfahrern Grenzen setzt.

 

 

Nach den ersten 50 km mussten wir uns wärmer anziehen

 

 

Gegen 17:30 Uhr trafen wir in Siilinjärvi ein. Aufgrund einer sehr guten Wegbeschreibung, die ich unterwegs per Telefon bekommen hatte, fanden wir das Anwesen von Wolfgang ohne Probleme.

 

Wir wurden bereits erwartet und auf das herzlichste empfangen. Trotz all unserer Gepäckprobleme hatten wir ein kleines Gastgeschenk -1 Flasche Speyerer Ruländer aus den Beständen der Stadt Speyer, sowie 2 Pfälzer Auslesen- heil nach Finnland geschafft und konnten diese mit den besten Grüßen aus der Pfalz überreichen.

 

Doch zunächst lud uns Wolfgang zu einem Saunagang

-das gehört in Finnland zum Tagesablauf- ein. Die Sauna war bereits aufgeheizt und die Wärme tat uns nach der  Kälte sehr gut. Innerhalb von 15 Minuten waren wir wieder richtig durchgewärmt.

 

Zwischenzeitlich war auch Wolfgangs Frau Anja anwesend und begrüßte uns ebenfalls mit großer Herzlichkeit. Der Tisch war gedeckt und wir wurden mit einer finnischen Spezialität -ich bezeichne es mal als eine Lachsrahmsuppe, zu der selbst gebackenes Brot gereicht wurde- bekannt gemacht. Uns allen hat dieses Essen hervorragend geschmeckt.

 

Den Abend verbrachten wir bis tief in die Nacht hinein bei Gesprächen -die sich natürlich um Speyer, die Pfalz, aber auch um Finnland drehten- und einem guten Pfälzer Wein. Am nächsten Morgen mussten wir uns leider von Wolfgang und Anja verabschieden, da wir aufgrund unserer Reiseplanung keinen längeren Aufenthalt einlegen konnten.

 

 

Wir verabschiedeten uns in dem Bewusstsein, das wir uns wieder sehen werden. Wolfgang und Anja haben uns und unsere Frauen eingeladen, mal im Sommer zu kommen.

 

 

 

Abschied von Wolfgang und Anja

 

 

Eine Einladung, der wir sicher in absehbarer Zeit folge leisten werden.

 

 

Durch eine wunderschöne Landschaft setzten wir unsere Reise nach Lentiira, einem kleinen Ort im finnischen Teil Kareliens, nahe der russischen Grenze, fort. An diesem Tag legten wir rund 260 km zurück. In einem Feriendorf, natürlich an einem See gelegen, mieteten wir für 2 Tage ein kleines Ferienhaus.

 

 

Hj und Ho beim Küchendienst

 

Unser Ferienhaus

 

HO’s erster Linseneintopf seit Jahren

 

Auch Rainer schmeckt es

 

Hier wurde HJ für die Dauer der Reise von den Aufgaben eines Kochs entbunden. Er hatte versucht, eine mitgebrachte Dose Cornedbeef anzubraten und wunderte sich, dass er in der Pfanne nur noch Suppe hatte. Auf diese Kochkünste wollte niemand mehr vertrauen!

 

An diesem Ort lernten wir auch etwas kennen, was für die Finnen alltäglich ist. Das Fahren mit einem Motorschlitten. Wir mieteten vier dieser Gefährte und erkundeten den zugefrorenen See sowie die nähere Umgebung um das Feriendorf.

 

Der Vermieter der Schlitten hatte uns gesagt, dass wir den See an allen Stellen befahren könnten, da das Eis dick genug sei. Trotzdem gerieten HO und HR doch in einen Bereich, wo das Eis zu dünn war. Nur mit viel Mühe und mächtig Gas konnten sie das Absacken der Schlitten vermeiden.

 

 

Vor dem Start

Kennenlern Phase

Bis zu 80 km/h sind möglich

 

Die Fahrerei hat uns sehr viel Spaß gemacht, dennoch ziehen wir unsere Gespanne als Fahrzeuge vor!

 

 

In Lentiira lernten wir weitere finnische Spezialitäten kennen. Zum einen die finnische Rauchsauna, sie wird mit Holz aufgeheizt, hat keinen richtigen Kamin und man sitzt in ihr wie in einer Räucherkammer. Angeblich soll sie besonders gesund sein. Nachdem wir sie kennen gelernt haben, ziehen wir die normale Sauna jedoch vor. Nach jedem Saunagang ging es natürlich ins Freie und in den Schnee. Es war trotz der Kälte sehr angenehm und erholsam.

 

 

Vergnügen auf finnische Art / In der Rauchsauna

 

Des weiteren verkauft man in Lentiira “Teerwasser” in Flaschen. Es gilt als Allheilmittel. Dabei handelt es sich um Wasser mit einem erheblichen Teergehalt. Es sieht unappetitlich aus und schmeckt auch so, wie es aussieht.

Nach einem Probeschluck haben wir beschlossen, im Bedarfsfall doch auf uns bekannte und bewährte Präparate zurückzugreifen.

 

Kaum beschreibbar ist die wunderbare Winterlandschaft Finnlands. Wir befanden uns in einem sehr dünn besiedelten Gebiet.

 

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, das Finnland etwa 1 1/2 mal so groß wie die Bundesrepublik ist, aber nur knapp fünf Millionen Einwohner hat. Davon leben 2/3 in einem Umkreis von 200 km um Helsinki. Diese Zahlen machen deutlich, warum die nördlichen Teile Finnlands so menschenleer sind. In diesen Regionen fährt man manchmal 20 oder 30 km, ohne dass einem auch nur ein Mensch oder ein Fahrzeug begegnet.

 

 

 

Aufwärmphase

Endlos weite Schneelandschaft

 

Die Luft ist klar und sauber. Wenn man spazieren geht, hört man allenfalls die Windgeräusche und das Knirschen des Schnees unter den Stiefeln.

 

Nicht zu beschreiben sind die herrlichen Sonnenauf-und-untergänge. Tageslicht hat man nur ca. 6 Stunden. Gegen 15:30 Uhr geht die Sonne unter. Dann schimmert der Himmel in fantastischen Farben.

 

Die weiße Winterlandschaft reflektiert dieses Licht und alles ist in zarte, rosa Farbtöne getaucht. Ein unwirkliches, aber wunderschönes Bild, an dem man sich nicht satt sehen kann.

 

 

Spätnachmittag

Farbenspiele

Abendstimmung

 

Nach 2 Tagen setzen wir unsere Reise gen Norden fort. Unser Ziel war der nördliche Polarkreis.

 

Vor uns lagen noch rund 400 km, die wir in zwei Etappen zurück gelegt haben.

 

Bei unserer Abfahrt in Lentiira schneite es heftig. Auf tief verschneiten Nebenstraßen fuhren wir Richtung Polarkreis, Die Straßen waren manchmal nicht zu erkennen, die Fahrbahnen allenfalls durch in die Straßenränder gesteckte Äste markiert. Wenn mal ein Fahrzeug entgegen kam, war in dem undurchdringlichen Schneegestöber nichts mehr zu sehen. Das bewog uns zu sehr vorsichtiger Fahrweise und manchmal haben wir sogar am Straßenrand angehalten, um auf klare Sicht zu warten.

 

 

Schnee im Überfluss

 

Dank des Schneefalles waren die Temperaturen am Morgen nicht so tief. Gegen Mittag ließ das Schneetreiben nach, es wurde wieder klar und sonnig, aber auch sehr kalt.

 

Gegen 15:00 Uhr trafen wir in Ruka ein. Beim Fremdenverkehrsamt vermittelte man uns ein Ferienhaus, einsam auf einer Farm bei Kitka gelegen. Als wir dort eintrafen, war die Temperatur bereits auf minus 23 Grad gesunken. Die Lage unseres Ferienhauses überraschte uns aber sehr positiv. Mindestens 5 km vom nächsten Nachbarn entfernt, lag die Farm einsam an einem See. 

 

 

 

In der Nacht sanken die Temperaturen auf über minus 30 Grad ab. Diese extreme Kälte, verbunden mit einem wunderbar klaren Nachthimmel, bescherte uns dann ein für uns einmaliges Naturschauspiel. Zum ersten aber auch zum einzigen Mal auf unserer Reise erlebten wir das Nordlicht, es ist nur schwer zu beschreiben.

 

Über den dunklen Nachthimmel zuckten Irrlichter in allen nur denkbaren Farbschattierungen. Sie erschienen immer wieder in neuen Formationen und verschwanden, um an anderen Stellen erneut zu erscheinen. Etwa eine halbe Stunde durften wir dieses Naturereignis erleben. Es war ein unvergessliches Erlebnis.

 

 

 

Diese Bilder habe ich bei einer Reise im Januar 2018 aufgenommen. Ich habe sie eingefügt, damit ihr eine Vorstellung von den Nordlichtern bekommt.

 

 

Die tiefen Temperaturen dieser Nacht bescherten uns allerdings auch erhebliche technische Probleme am nächsten Morgen.

 

Gegen 09:00 Uhr hatten wir immer noch minus 23 Grad. Es gab so gut wie nichts an unseren Motorrädern, was nicht eingefroren war.

 

Die meisten Probleme hatten wir mit den Antriebsaggregaten. Obwohl wir vor Antritt der Reise Öle mit einem weiten Viskositätsbereich in unsere Motoren eingefüllt hatten, war an diesem Morgen nichts mehr zu machen. Das Motoröl stellte sich nur noch als steifer Sirup dar. Unsere Batterien, immerhin mit einer Kapazität von 66 AH, schafften es nicht, die Motoren durchzudrehen.

 

Mit einem Heißluftgebläse und Benzinkochern unter den Ölwannen gelang es uns, die Motoröle langsam auf eine Temperatur von ca. 50 Grad zu erwärmen.

 

Bei solchen Prozeduren muss man sehr vorsichtig zu Werke gehen. Das Material der Ölwannen und Motorgehäuse ist bei den niedrigen Temperaturen sehr spröde. Wird es zu schnell erwärmt, muss man mit Rissen im Material rechnen.

 

Dennoch hatten wir die Motoren nach etwa einer Stunde am Laufen und konnten uns auf die Weiterreise zum Polarkreis begeben.

 

 

Aufwärmphase der Motoren

 

Der Polarkreis ist erreicht

 

Ziel war an diesem Tag Kemijärvi, ein Ort mit etwa 12.000 Einwohnern, ca. 25 km oberhalb des Polarkreises gelegen. Wieder hatten wir einen klaren, sonnigen Tag. Die Temperaturen stiegen auf ca. minus 15 Grad. Gemessen an der letzten Nacht geradezu angenehm warm. Nach 80 km Fahrt erreichten wir den Polarkreis. Natürlich wurden die obligatorischen Bilder an dieser Stelle -gekennzeichnet durch eine entsprechende Ausschilderung- gemacht. Dann ging es weiter zu unserem Zielort Kemijiärvi.

 

Neben Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands, ist Kemijärvi eine der großen Städte in dieser Region. Die Bekanntschaft mit Wolfgang Dhuy und seiner Frau Anja hatte uns einen weiteren Vorteil beschert. Anjas Schwester wohnt in Kemijärvi. Sie ist mit einem der Direktoren der am nördlichsten gelegenen Zellstofffabrik Europas verheiratet. Anja hatte sie darüber informiert, dass wir auf dem Weg nach Lappland seien und sie wohl auch gebeten, uns bei der Suche nach einer Unterkunft behilflich zu sein.

 

Wir wurden von der Familie Tapio Ylikangas sehr gastfreundlich aufgenommen. Spontan stellten Sie uns Ihr bereits aufgeheiztes Saunahaus als Quartier zur Verfügung.

 

 

 

Saunahaus in Kemijärvi

 

Nachdem wir uns in der Sauna aufgewärmt hatten, besichtigten wir zunächst die Zellstoff-Fabrik und ließen uns von Tapio Ylikangas sehr eingehend über die Fabrikation, aber auch über soziale Fragen der Arbeitnehmer, das Sozialversicherungssystem und das in Finnland nicht minder große Problem der Arbeitslosigkeit informieren. Insbesondere die Arbeitslosigkeit macht den Finnen große Sorge. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote liegt im Land bei rund 18%, in Kemijarvi sogar bei rund 30%, damit weit über dem Durchschnitt. Besonders Jugendliche sind davon betroffen. Es gibt kaum Ausbildungsplatze und die Zukunftsaussichten für die junge Generation sind sehr trostlos.

 

 

Bilder aus der nördlichsten Zellstoff-Fabrik Europas

 

Nach der Werksbesichtigung waren wir zu einem finnischen Essen mit der Familie des Direktors eingeladen. Auch hier lernten wir einheimische  Spezialität kennen. Es gab Rentiergeschnetzeltes mit Kartoffelbrei und Moltebeeren, als Nachtisch eine Käsespezialität, ebenfalls mit Moltebeeren dazu. Beides hat uns hervorragend geschmeckt und war eine willkommene Abwechslung von unserem ansonsten durch Konserven geprägten Speiseplan.

 

Nach einigen unterhaltsamen Stunden verabschiedeten wir uns von Tapio Ylikangas und seiner Familie, nicht ohne uns ganz besonders für die erwiesene Gastfreundschaft zu bedanken, um am nächsten Morgen weiter nach Rovaniemi zu fahren. Natürlich besuchten wir auf diesem Weg auch das weltweit bekannte Weihnachtsdorf “St. Claus-Village”. am Polarkreis.

 

 

Das Weihnachtsdorf am Polarkreis

 

Dieses Dorf ist allerdings ganz auf den Tourismus zugeschnitten und hat uns nicht gerade gefesselt. Deshalb fuhren wir ohne langen Aufenthalt weiter nach Rovaniemi, wo wir in der Ferienanlage “Saari-Tuvat”, etwa 4 km außerhalb des Zentrums, ein Ferienhaus gemietet hatten.

 

 

Ferienanlage Saari-Tuvat

 

Rovaniemi ist -wie ich bereits gesagt habe- die Hauptstadt Lapplands und mit 55.000 Einwohnern ist sie auch eine der Großstädte in Finnland. Sie liegt direkt am Polarkreis und ist ein Verkehrsknotenpunkt mit Flugplatz und allen sonstigen Verkehrsanbindungen.

 

Mit Ausnahme des “Arktic-Museums’ konnte uns die Stadt in dieser Jahreszeit nicht viel bieten. Ein Museumsbesuch sollte allerdings zum Programm eines jeden Besuchers gehören. Er ist sehr empfehlenswert.

 

Im Museum sind Ausstellungen über die Entwicklung der Lebensformen in Lappland bis in die 5Oer Jahre zu sehen. Für einen Besuch sollte man sich einige Stunden Zeit nehmen.

 

Die Ausstellungen sind umfangreich, informativ und lehrreich. Für uns war der Besuch eine Bereicherung.

 

Fußgängerzone in Rovaniemi

 

Die restliche Zeit in Rovaniemi nutzten wir für Fahrten in die nähere Umgebung. Lappland ist ein Rentierzuchtgebiet. Diese Tatsache bescherte uns auch Begegnungen mit frei lebenden, halbwilden Rentieren. Diese Tiere leben im Sommer in sehr großen Herden, im Winter sind sie allerdings nur in kleinen Gruppen anzutreffen.

 

 

Rentiere in freier Wildbahn

 

Leider war es uns nicht vergönnt, die bekanntesten Tiere Finnlands, die Elche zu sehen. Sie sind offensichtlich sehr scheu und leben tief in den finnischen Wäldern.

 

In der Region um den Polarkreis unternahmen wir auch unsere ersten Fahrversuche auf den zugefrorenen Seen.

 

Es ist zunächst ein seltsames Gefühl, wenn man abseits der Straße, quasi auf dem Wasser fährt. Für die Finnen ist es normal, sie kennen ihre Verhältnisse.

 

Auf vielen Seen hat man Pisten, ja regelrechte Straßen markiert, die mit bis zu 11 Tonnen schweren LKWs befahren werden dürfen.

 

Nach Aussagen von Einheimischen ist das Eis auf den Seen im Januar / Februar ca. 50 cm stark und damit hoch belastbar.

Fahrweg über den zugefrorenen See

 

Mit dem Gespann konnte man auf dem Eis tanzen

 

Nach anfänglichem Zögern war auch HR auf dem Eis

 

Nach drei Tagen in Rovaniemi begaben wir uns auf die Rückfahrt nach Helsinki.

 

Unser Weg führte uns zunächst in Richtung Oulo. Wir fuhren längs dem “Bottnischen Meerbusen” einem Arm der Ostsee, Richtung Süden. Unterwegs machten wir halt in einem kleinen Fischerdorf, um einen Spaziergang auf der Ostsee zu machen. Bis zum Horizont war sie mit einer dicken Eisschicht und einer darauf liegenden Schneedecke bedeckt. Offensichtlich sehr zum Vergnügen einer Reihe von Menschen.

 

 

Skilangläufer waren unterwegs, andere hatten Löcher in das Eis gebohrt und angelten, wieder andere ließen sich mittels selbst gebauter Schubeinrichtungen (Rasenmähermotoren mit Propellern) auf Skiern über das Eis schieben. Es sah im strahlenden Sonnenschein sehr malerisch aus.

 

 

Mit Propellerantrieb und Ski über das Eis der Ostsee

 

Der Schlitten ist ein weit verbreitetes Transportmittel der Finnen

 

 

An diesem Tag fanden wir kein Ferienhaus. Stattdessen übernachteten wir in einem Gasthaus. Unter dieser deutschen Bezeichnung wurde das Haus in Vaala geführt. Es handelte sich um ein malerisches, altes Holzhaus, zwar renovierungsbedürftig, aber mit einem gewissen Flair umgeben. In der sehr kleinen, aber gemütlichen Gaststube hatten wir sehr schnell Kontakt mit den Einheimischen.

 

 

Motorrad fahrende ältere Herren waren in dieser Jahreszeit offenbar eine besondere Attraktion.

 

Unsere Ankunft musste sich sehr schnell herumgesprochen haben, denn etwa 2 Stunden danach war das Lokal bis auf den letzten Platz besetzt. Viele haben uns in Gespräche verwickelt.

 

Bis spät in die Nacht hinein haben wir uns unterhalten, Adressen ausgetauscht und viel Kaffee getrunken. Kaffee trinkt man in Finnland zu jeder Tages- und Nachtzeit und zu jeder Gelegenheit. Für HJ ein Paradies!

 

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter nach Saarijärvi. Noch einmal buchten wir für 2 Tage ein Ferienhaus. Wieder fanden wir es auf einem ehemaligen Bauernhof, dicht am See gelegen.

 

Hier ersparte uns der zugefrorene See tägliche Umwege von rund 8 km, wir konnten vom Ortsausgang Saarijärvi direkt über den See zu unserem Haus fahren. Ganze 300 Meter übers Eis!

 

Unser Haus am See

 

Die Stimmung war immer gut

 

Am folgenden Tag mussten wir eine kleine Reparatur an HR’s Gespann durchführen.

 

 

Kontrolle am Straßenrand

 

Ein Auspuffkrümmer musste geschweißt werden. Wieder lernten wir die Hilfsbereitschaft der in Finnland lebenden Menschen kennen. An einer Tankstelle wurden wir von Wolfgang Ruhlmann, einem seit vielen Jahren in Finnland lebenden Kongress-Manager angesprochen.

 

Auch er ist seit langem mit einer Finnin verheiratet. Als er hörte, dass wir eine Werkstatt benötigten, um die Reparatur selbst vornehmen zu können, vermittelte er uns die nötigen Kontakte. Ihm und auch seiner Frau sei auf diesem Weg noch mal herzlich gedankt.

 

Unsere Reise neigte sich nun langsam dem Ende zu. Nach einer letzten Übernachtung in Häämenlinna - ca. 100 km vor Helsinki-

 

 

Unser letztes Domizil in Finnland

 

erreichten wir am 06.02.97 Helsinki, die Hauptstadt Finnlands. Pünktlich um 17:00 Uhr konnten wir auf der TRANSEUROPA einchecken.

 

 

 

 

Rund 2.200 km auf finnischen Straßen lagen hinter uns. Eine Strecke, die wir in 2 Wochen stressfrei und ohne Probleme zurückgelegt hatten. Zwei Wochen voller unvergesslicher Eindrücke und Begegnungen.

 

Finnland hat uns fasziniert und wird uns mit Sicherheit wieder sehen. Nicht nur wegen der fantastischen Landschaft, sondern auch, um die neuen Freundschaften und Kontakte zu pflegen.

 

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Aktualisiert: 17.03.2024

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